Wo Bäuerinnen und Bauern modeln...
Kontakt mit Verbrauchern haben Judith und Marc Gührer zur Genüge. Sie vermieten nicht nur Ferienwohnungen auf ihrem Hofgut am Schleinsee, sondern bewirtschaften zusammen mit der Schwester auch ein Hofcafé. Darüber hinaus tummeln sich jede Menge Radfahrer und Spaziergänger in der schönen Landschaft im Hinterland des Bodensees unweit von Kressbronn. Doch längst nicht jeder äußert Verständnis für die Landwirtschaft. Das hat der Betriebsleiter mehrfach erfahren. Immer wieder muss er sich Diskussionen stellen, wenn auf dem Betrieb mit 70 Kühen und 80 ha Fläche irgendwo Gülle gefahren oder Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden. Schnell teilt der Verbraucher die Landwirtschaft in bio und konventionell ein, hier die Guten, dort die Bösen, wie der Landwirt beim Vorort-Termin erzählt. Eine Aufklärung ist meist mühsam, denn nur selten werden Denkanstöße zur vorgefassten Meinung aufgegriffen.
Werbung auf Bannern und Plakaten
Mit ein Grund warum die Familie die neue Imagekampagne befürwortet, die vom Land angestoßen wurde. Am Montag (8. Juni 2020) erfolgte der Auftakt in der Bodenseeregion mit den dort beteiligten Betrieben. Unter dem Slogan ‚Wir versorgen unser Land‘ lächeln zum Start vorerst 20 Bäuerinnen und Bauern freundlich von Bannern und Plakaten. Sie werben für Milch, Fleisch, Obst, Gemüse – kurzum für das gesamte Sortiment an Produkten, das die vielfältige Landwirtschaft in Baden-Württemberg zu bieten hat. In kurzen Videos informieren sie über die heimische Landwirtschaft und stellen die von ihnen regional erzeugten Produkte in den sozialen Medien in den Fokus (derzeit sind die Videos zu finden unter www.vondaheim.de). Sie signalisieren mit ihrem Auftritt, dass sie gerne bereit sind, mit Verbrauchern ins Gespräch zu kommen und diese einen Blick hinter die Kulissen auf ihrem Hof werfen zu lassen.
„Die Idee, eine Kampagne für eine bessere Wertschätzung der Landwirtschaft zu machen, entstand im Herbst vergangenen Jahres. Anstoß dazu gaben die heftigen Diskussionen um das Volksbegehren sowie die von „Land schafft Verbindung (LsV)“ initiierten Demonstrationen“, erläuterte Landwirtschaftsminister Peter Hauk zu den Ursprüngen der Aktion beim Auftakt der Tour am Bodensee. Gleichzeitig werde den Verbrauchern in der Corona-Krise bewusst, wie wichtig eine Versorgung mit regionalen Lebensmitteln sei. Diesen Rückenwind will die mit 300.000 Euro ausgestattete Kampagne nutzen und für die heimische Landwirtschaft werben. „Voraussetzung ist, dass sich die Landwirtschaft auch entfalten kann“, merkte Hauk mit Blick auf die stetig wachsenden Auflagen an.
Kuh ist beste Landschaftspflegemaschine
„Bauernfamilien kämpfen mit Corona, Dürre, Bürokratie und vielfacher Kritik, die nicht immer sachlich fundiert ist“, erklärte LBV-Vizepräsident Gerhard Glaser auf dem Hofgut Schleinsee. Der Landesbauernverband ist neben dem Badisch Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV), dem Genossenschaftsverband Baden-Württemberg, Land schafft Verbindung (LsV) und dem Maschinenring Tettnang sowie die Bodenseebauern Partner der Kampagne. Ohne Landwirtschaft gäbe es die Vielfalt der Landschaft am Bodensee und auch anderswo nicht. Um Grünland zu nutzen, sei die Kuh die beste Landschaftspflegemaschine, meinte Glaser.
In der Corona-Krise sei das Interesse an der heimischen Landwirtschaft gewachsen, Hofläden und Hoftankstellen erfreuten sich eines wachsenden Zulaufs. „Ich hoffe, dass diese Wertschätzung anhält für die über 7000 Milcherzeuger im Land“, meinte der Bauernverbandsvertreter. Dazu könne auch die Kampagne beitragen.
Die Landwirtschaft sei bemüht, die Umweltparameter ständig zu verbessern. Glaser zählte dazu unter anderem die Erfolge der Reduktion klimaschädlicher Gase seit dem Kyotoprotokoll im Jahr 1997 um 30 Prozent in der Landwirtschaft. Doch Politikerinnen wie Schulze und Künast mit ihren Pauschalattacken an der Landwirtschaft würden dem nicht gerecht. Es sei in Mode gekommen, auf der Landwirtschaft herumzureiten. Wenn aber der Landwirtschaft im Tagestakt neue Auflagen aufgedrückt würden, treibe das die Kosten. Gleichzeitig spielten die Anforderungen bei Importen keine Rolle. Unweigerliche Folge daraus sei, dass der „billige Jakob“ aus dem Ausland die heimische Produktion aus dem Ladenregal verdränge. Die neue Kampagne komme zum richtigen Zeitpunkt, um zu zeigen, was die Landwirtschaft leiste. Sie helfe, Land und Leute ins richtige Licht zu rücken.
Mangelnde Kommunikation
„Landwirte arbeiten mit Herzblut und sie arbeiten hart, doch sie kommunizieren zu wenig über ihre Arbeit“, machte Ingrid Martin auf ein Defizit aufmerksam. Sie engagiert sich über den Maschinenring Tettnang sowie mit der aufgrund des Volksbegehrens entstandenen Gruppe von Bodenseebauern seit einiger Zeit aktiv in der Öffentlichkeitsarbeit über soziale Medien. Sie begrüßte die angelaufene Imagekampagne als das Tüpfelchen auf dem I. Wichtig dabei sei, dass Plakate und Banner nicht irgendwelche Models zierten, sondern echte Bäuerinnen und Bauern. „Authentizität ist unser wertvollstes Gut, dann sind wir glaubwürdig“, meinte sie.
Unwägbarer Arbeitsalltag
Wie unwägbar der Arbeitsalltag in der Landwirtschaft manchmal sein kann, dafür lieferte der Spargelbetrieb von Thomas Geiger in Tettnang ein Beispiel. An seinem Hofladen prangt bereits von weitem erkennbar das Banner der neuen Imagekampagne. „Die Ernte war von Beginn an spannend“, meinte der Betriebsleiter mit Blick auf die Verfügbarkeit von Erntehelfern. Zwar seien einige Rumänen schon früh angereist, doch für seine 20 ha Spargelfläche standen am Ende nur die Hälfte der bewährten Kräfte aus dem Ausland zur Verfügung. Erfreut zeigte sich Thomas Geiger zwar über die vielen Rückmeldungen aus der Bevölkerung, die ihre Hilfe anboten. Doch nicht immer passten die zeitlich sehr unterschiedlichen Arbeitszeiten mit den Notwendigkeiten der Ernte zusammen. „Manche haben begeistert mitgemacht, andere sind von einem Tag auf den anderen einfach nicht wiedergekommen. Es war jeden Morgen spannend, wie viel Arbeiter zur Verfügung standen“, berichtet der Betriebsleiter, der vor rund 30 Jahren aus der Milchviehhaltung und dem Obstanbau aus- und in den Spargelanbau eingestiegen ist. Doch er will nicht klagen. Die Ernte sei gut gewesen und die Preise okay, auch wenn anfangs keineswegs sicher war, ob der Absatz floriert. Deshalb ließen er und seine Frau Franziska sowie der Sohn Michael eine gewisse Vorsicht walten. Nicht auf allen Flächen wurden Folien aufgezogen. Eine falsche Entscheidung, wie er jetzt weiß, denn die Nachfrage ist gut, doch die Ernte neigt sich dem Ende zu.
Produkten ein Gesicht geben
„Mit dem Kauf von heimischen Produkten kann jeder einen Beitrag für eine regionale Landwirtschaft leisten“, kommt Minister Hauk auf dem Spargelbetrieb auf die anlaufende Imagekampagne zusprechen. Über Banner und Plakate sollten Erzeugnisse aus der Region mit Menschen aus der Region zusammengebracht werden, um Produkten ein Gesicht zu verleihen. Eine Aktion, die Dieter Mainberger vor dem Hintergrund wachsender Wettbewerbsverzerrungen befürwortet. Der Vorsitzende des Kreisbauernverbandes Tettnang verwies auf die kostentreibenden Auflagen, mit denen die Landwirtschaft immer mehr überzogen werde. Er hoffe, dass aus der Kampagne eine dauerhafte Aktion werde.
Regionalität auf der ganzen Linie
Weitere Station der Tour zur Plakataktion der Kampagne am Bodensee war der Hof von Birgit Locher in Oberteuringen. Sie hat den Betrieb ihrer Eltern bereits mit Anfang 20 übernommen. Neben 25 ha Ackerland hält sie 80 Muttersauen mit Ferkelaufzucht. „Die Tiere werden seit 2018 nach der Premiumstufe des Deutschen Tierschutzbundes gehalten und aufgezogen“, erklärt die junge Landwirtin. Das Futter für die Tiere kommt von Lochers Äckern, die hochwertigen Fleischprodukte werden in der Region verkauft. „Regionalität wird hier auf ganzer Linie betrieben“, betonte Minister Hauk zum Betriebskonzept der jungen Bäuerin, die auf Plakaten und Bannern für heimisches Fleisch wirbt.
Autor: Brigitte Werner-Gnann