Bauerntag
Bei Biber-Schäden droht doppelte Enteignung
Mit der Wahl von Albert Gramling (54) aus Ravenstein-Merchingen zum neuen Vorsitzenden des 1147 Mitglieder zählenden Bauernverbandes Neckar-Odenwald-Kreis gab die Mitgliederversammlung am 8. März in Oberschefflenz mit großer Mehrheit ihr Votum für die Nachfolge von Herbert Kempf. „Dessen plötzlicher Tod Ende April letzten Jahres nach den Worten des kommissarischen Vorsitzenden Walter Leibfried „eine große Lücke in unseren Berufsstand gerissen hat“.
Als wichtige Punkte des nun ausgehandelten Koalitionsvertrages der kommenden Bundesregierung bezeichnete Leibfried, dass die Erste und Zweite Säule auf dem aktuellen Niveau gehalten und Direktzahlungen einfacher und effizienter werden sollen. Die nationale Mittelaufstockung soll 1,5 Mrd. Euro betragen. Ferner soll der Ökolandbau bis zum Jahr 2030 auf 20 Prozent erweitert werden. Vor der Digitalisierung darf sich die Landwirtschaft nicht verschließen. Wichtig hierfür sind Daten- und belastungsfähiges Kartenmaterial, das wie in Rheinland-Pfalz auch in Baden-Württemberg künftig kostenlos zur Verfügung stehen muss, forderte Leibfried vor den rund 100 Landwirten und zahlreichen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Verbänden. Grußworte hielten Bürgermeister Rainer Houck, der örtliche CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorstandskollege Alois Gerig, Landrat Dr. Achim Brötel und Landwirtschaftsminister Peter Hauk.
Eine Übersicht über die aktuellen Änderungen in der EU-Agrarpolitik und die Aussichten nach 2020 gab im Schnelldurchlauf der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Landesbauernverbandes Horst Wenk. Zu den Punkten, die im Gemeinsamen Antrag 2018 zu berücksichtigen sind zählt beispielsweise die Neuregelung der Junglandwirteprämie, auf die nun generell fünf Jahre Anspruch besteht. Im Einzelfall gelte dies auch für frühere Antragsteller, allerdings ohne rückwirkende Zahlung.
Als doppelte Enteignung prangerte Wenk den Wegfall der Beihilfe für überschwemmte Flächen an, dessen Verursacher der Biber ist. Erstens werden die Schäden durch den Biber nicht ausgeglichen und zweitens besteht für die überschwemmten Flächen kein Direktzahlungsanspruch mehr, weil sie per Definition nicht mehr landwirtschaftlich nutzbar sind.
Dauergrünland entsteht jetzt bereits nach fünf Jahren
Beim Greening machte Wenk auf die veränderten Zeitraum zur Entstehung von Dauergrünland aufmerksam. Jetzt gilt anstelle des „Erstansaatjahres“ das „Erstjahr“, in dem betreffende Kulturen (Grünland, Kleegras u. ä.) als Hauptkultur (X =Aussaat im Frühjahr) genutzt wurden. Statt bisher nach sechs Jahren (X plus sechs) entsteht Dauergrünland nun bereits nach fünf Jahren (X plus fünf) nachdem Ackerfutter oder Grünland Hauptkultur waren. Das Erstjahr muss nun im Gemeinsamen Antrag überall angegeben werden. Die Übereinstimmung mit den Angaben zum bisherigen Erstansaatjahr wird überprüft. Beim Erstjahr 2013 ist folglich die angegebene Nutzung in 2018 zu beachten, weil nach neuer EU-Sichtweise bereits in diesem Jahr das Dauergrünland entsteht. Voraussetzung dafür ist, dass Ackerfutter oder Brache und Grünland ohnehin mindestens fünf Jahren weder Bestandteil der Fruchtfolge waren noch umgepflügt oder mit Fräse oder Grubber bearbeitet worden sind.
Künftig werde demnach bei Gras/Ackerfutter als Hauptkultur nach Pflug der Fünf-Jahres-Zeitraum für Entstehung von Dauergrünland beim Wechsel von Grünfutterpflanzen nur bei nachweisbarer Pflugnutzung anerkannt. Die Anzeigepflicht besteht innerhalb vier Wochen.
Chancen und Risiken von mehr Selbstbestimmung
Das Säulenmodell alleine, an dem die EU-Kommission für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) nach 2020 festhalten will, sagt laut Wenk noch nicht viel aus. Der zusätzliche Mittelbedarf im EU-Agrarhaushalt wird aufgrund des Brexits und neuer Herausforderungen auf vier bis fünf Milliarden Euro geschätzt. In der GAP-Umsetzung sieht die EU mehr Selbstbestimmung und Eigenverantwortung für die Mitgliedsstaaten vor. Auf der einen Seite bieten sich damit Chancen für eine regional angepasste Agrarpolitik. Andererseits warnt Wenk vor einer weiteren Renationalisierung der Agrarpolitik mit der Gefahr zunehmender Wettbewerbsverzerrungen, die selbst in Deutschland mit seinem föderalen Aufbau drohen könnten. Darüber hinaus kann Wenk in dem EU-Papier keinerlei Vereinfachung oder Entbürokratisierung der Agrarpolitik erkennen. Es zeichne sich eher das Gegenteil ab und eine nationale Umsetzung der neuen Agrarreform erwarten selbst Experten nicht vor dem Jahr 2022 oder erst ab 2023.
Autor: Gerhard Bernauer